Monat: Juli 2014

Jukebox

Für einen sommerlichen Femme/Butchsoundtrack … let’s have a date with femmes, sun & rain!

Soulfood:

Donna Summer – On The Radio (1979)

Eddie Kenricks – Date With The Rain (1972)

Revelation – I Can’t Move No Mountain (1975)

Brenton Wood – Better Believe It (1975)

J.C. Davis – A New Day (1969)

Chyvonne Scott – I’m Movin‘ On! (1965)

Martha Reeves & The Vandellas – Nowhere To Run ( inkl. Video der Band in Detroiter Autoproduktion 1965)

Sharon Jones & The Dap Kings – 100 Days, 100 Nights (wundervoll retro aus 2007)

Plaudereien aus dem Werkzeugkästchen: Liebes Butchtagebuch …

Donnerstag, 10.07.

Stehe so an der Bushaltestelle und zähle mal die zwölf, wartenden Leute nach „langen“ und „kurzen“ Haaren“ durch inkl. ihrer Genderpräsentationen.  Acht mit langen Haaren und vier mit kurzen Haaren. Die stereotype Gender-Gleichung: „Frauen“ = Längere/lange Haare; „Männer“ = kurze Haare geht hier fast zu 100% auf – wenn nicht ich Butch da wäre, mit kurzen Haaren.

Montag, 14.07.

Ganz im Ernst, wenn ich noch mal lesen muss, dass Butch/Femme eine „feste Rollenverteilung in lesbischen Paarbeziehungen“ sei, fange ich an zu kotzen. Mann, der Rollenbegriff ist URALT und hat schon Moos angesetzt! Und „lesbische „Paarbeziehungen“ sind auch schon ver-queert … naja, zum Teil. Frühe 1970er Jahre, als der Singular noch kein Problem war und es die „Frauenfrage“ oder „Das Jahr der Frau“ gab (DIE Frau, dieses seltsame und irgendwie bedrohte Wesen). Ja, da gab es auch DIE  Geschlechterrolle oder DIE Rollenverteilung zwischen DEM Mann und DER Frau. Mittleres 20. Jahrundert, als gesellschaftliche und Geschlechter-Rollen noch für funktionales, „regelmäßiges und vorhersehbares Verhalten“ standen – brav an Normen orientiert. Aus-der-Rolle-tanzen/fallen war da nicht mitgedacht (zumindest in der Theorie bei P.) und wenn doch: Strafe und zurück in die Spur!

Wie? Und das wird noch heute, 2014, von Femme/Butch angenommen?! Da sage ich auch: Strafe! 100x an die Tafel geschrieben: Femme/Butch ist DYNAMIK =  queere, erotische Kraft/Bewegung/Zusammenspiel/Macht!

Samstag, 19.07.

„Müßiggang ist aller Laster Anfang!“ – Finde den Sinnspruch großartig: Erst eine Weile rumhängen und nachher eine große Portion „Laster“ für alle Beteiligten!

T und ich

To T or not to T, das ist hier die Frage: Für alle Menschen, die weiblich zugewiesen worden sind, sich mindestens teilweise als maskulin, männlich oder genderqueer definieren oder anderweitig in randständigen Gebieten der Gendernormvarianz herumtreiben, steht früher oder später die T-Frage zur Debatte.
Es ist der große Prüfstein und mehr als jede OP-Erwägung ist dies der Wendepunkt ein jeder Transitionsdiskussion. Das Zeichen, dass deine Identität keine Phase ist, dass es dir ernst ist, dass du dich auf den Weg gemacht hast, dass du für deine Identität einstehst.

Leute, die zögern und zweifeln werden als Newbies gerade so noch toleriert, solche, die sich zeitweise oder gar vollständig dagegen entschieden haben, misstrauisch beäugt. Ist der wirklich genug trans? Warum mit weniger als dem maximal Möglichen zufrieden geben? Und was ist mit dem Leidensdruck?
Zu diesen Fragen und ihrer Wirkung in der Community gibt es viel zu sagen, und sicherlich werde ich in dem einen oder anderen Blogeintrag nochmals darauf zurückkommen.

Ich transitioniere sehr wohl, und ich nehme kein Testosteron. Nicht, weil ich aus medizinischen Gründen nicht dürfte oder aus beruflichen oder gar religiösen Erwägungen heraus glaube, nicht zu dürfen; und auch nicht, weil man mir die Indikation verweigert oder ich zu feige, unsicher oder ängstlich wäre, das Wagnis einzugehen.
Ich nehme einzig und allein deshalb kein Testo, weil ich nicht will. Weil ich mich hier und heute dagegen entschieden habe, was natürlich nicht heißt, dass ich diese Entscheidung nicht vielleicht eines Tages anders treffen möchte.
Auch ich habe meine Gründe dafür. Einige davon mache ich hier gerne öffentlich mit dem Ziel, die T-Frage mal von einer anderen Seite anzugehen und ein Stück Sichtbarkeit dafür zu schaffen, dass ein Leben ohne T seine ganz eigenen Qualitäten hat und auch Hormone niemals „alternativlos“ sind.

Ich nehme kein Testosteron, weil ich die Kraft dafür habe. Ich traue mir zu, mit meiner queeren Maskulinität sichtbar zu sein. Wir alle, die mindestens einmal im Leben fundamental in Konflikt mit den so wohlgeordneten Männer-die-nicht-zuhören-und-Frauen-die-nicht-einparken-können-Verhältnissen geraten sind, brauchen weithin unüberhörbaren Widerspruch gegen die symbolische Ordnung. Wenn alle in der gendernormalen Hetero-Komfortzone abgetaucht sind, werden die Geschlechtsvorstellungen so beengend und farblos, ebenso langweilig wie gewaltvoll bleiben, wie sie heute sind.
Ich will zeigen, dass auch ein vermeintlich randständiger Geschlechtsausdruck ermöglicht, mittendrin zu sein, dass queere Maskulinität eine schöne und stolze Identität ist, und dass hier Platz ist gleichermaßen für die Harley und das Reihenmittelhaus und viele Gäste in unserem Garten. Ihr seid alle herzlich eingeladen.
Ich möchte kein Testosteron, weil ich trotz der anstrengenden, manchmal deprimierend fruchtlosen Auseinandersetzung um meine Geschlechtlichkeit und einen würdevollen Umgang mit meinem Körper durchaus auch passend bin, wie ich bin. Ich verweigere mich dem in Trans-Zusammenhängen so dominanten Abwertungs-Diskurs, den eigenen Körper ausschließlich als fehlerhaft und unpassend, als Quelle von Scham, Leid, Einschränkungen, ja, als Gelegenheit zur permanenten Selbstabwertung zu denken.
Das ist meine Art, mich nicht als gefangen in meinem Körper zu verstehen: Ich bin und bleibe frei. Ich weigere mich, ein Fehler der Natur zu sein.
Ich nehme kein Testosteron, weil ich wichtig finde, dass insbesondere die junge Queers eine Perspektive jenseits klassischer Transitionswege sehen und dass Transition durchaus nicht ausschließlich eine leidvolle, sondern eine gute und aufregende Erfahrung ist.
Ich brauche kein Testosteron, weil ich Geschlecht in einem Denkrahmen von Performance, nicht in einem Konzept von Biologie sehe. Natürlich ist das idealistisch und wir leben wahrlich nicht in den besten Zeiten für eine solche Sicht. Dennoch, ich will es versuchen.
Ich nehme kein Testosteron, weil ambigue Maskulinität eine ebenso kreative wie lehrreiche Erfahrung war und ist. Dass ich auch Jahre nach meinem inneren und äußeren Coming Out auf Hormone verzichtet habe, hat mir ein Verständnis davon ermöglicht, wie Geschlecht funktioniert, das anders niemals möglich gewesen wäre. Ganz zu schweigen davon, dass man zwischen den Geschlechtern die amüsantesten Dinge erleben kann – Monty Python wären heute mit Sicherheit queer.
Ich benötige kein Testosteron, weil ich individuell privilegiert bin in dem Sinne, dass meine Umgebung es mir leicht macht. Ich habe tolle Freund_innen und sogar eine vergleichsweise coole Familie, die meine sichtbare Queerness mittragen und meinen Geschlechtsausdruck wesentlich so akzeptieren können, wie er ist.
Ich verzichte auf Testosteron, weil ich denke, dass die Widersprüche, Brüche und Zumutungen des Dazwischenseins eine gesellschaftliche, eine zwischenmenschliche Herausforderung bleiben sollen und nicht individuell und allein in meinem Inneren stattfinden, weil Testo dieses Gefühl nicht heilen, sondern nur verschieben und verstecken kann.
Ich will kein Testo, weil ich rausfinden will, wie weit ich durch mein Handeln allein die Grenzen meines Geschlechtsausdrucks verschieben, wie weit ich gehen kann. Je weiter ich gehe, umso mehr bemerke ich, dass ich weiter komme, als ich je für möglich gehalten hätte. Und das ist ein sehr gutes Gefühl.

Ich freue mich auf weitere Überlegungen und Gedanken von Euch in den Kommentaren.